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Die drei Marias
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E-book200 páginas2 horas

Die drei Marias

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Sobre este e-book

Rachel de Queiroz hat mit "Die drei Marias" einen der besten und kurzweiligsten Frauenromane der brasilianischen Literatur geschrieben.
Maria Augusta, Maria Glória und Maria José sind drei Klosterschülerinnen aus Fortaleza. Das hindert sie allerdings nicht daran, sich samstags Lockenwickler in die Haare zu legen, Rouge aufzutragen und in kurzen Röcken die Stadt unsicher zu machen. Und noch lange nach der Schulzeit sehen sich die drei Freundinnen regelmäßig wieder, auch wenn ihre Leben sehr unterschiedlich verlaufen - egal, ob sie heiraten, sich der Religion zuwenden, Schreibmaschinenkurse belegen oder aber für verheiratete Maler Modell stehen.
Rachel de Queiroz hat mit Die drei Marias einen der besten und kurzweiligsten Frauenromane der brasilianischen Literatur geschrieben. Bereits 1939 erschienen, bereitete er den Grund für die emanzipatorischen Romane Clarice Lispectors.
IdiomaPortuguês
Data de lançamento10 de abr. de 2014
ISBN9783803141569
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    Die drei Marias - Rachel de Queiroz

    gewidmet

    Von der gekalkten Wand hob sich groß und blau das Bildnis der Jungfrau Maria ab. In der Mitte des Hofes stand die Laube, nach Jasmin duftend, und in ihrem Innern, im frischen Halbschatten des Grüns, das Bild eines weißgekleideten, barfüßigen Mädchens, eine hübsche und traurige Muttergottes.

    Rund um den Hof die leeren, stummen, abgeschlossenen Klassenzimmer. Das Geräusch von Schritten wuchs an, hallte durch die Korridore, der Rosenkranz am Gürtel der Schwester, vollgehängt mit Medaillons, klapperte.

    Und ich hatte Angst. Die Schwester war alt und taub, mit stumpfem Blick und tonloser Stimme. Sie wirkte wie aus fahlem Papier oder gestärktem Leinen, ähnlich dem der Haube, die sie auf dem Kopf trug und die sich bei jeder Bewegung mitdrehte wie ein Vogel. Sie glich einer Wachspuppe, einer Statue, einer Heiligen, aber sie erschien mir nicht menschlich. Auch die dürre Pförtnerin hatte nichts Menschliches, nur Haut und Knochen, sowenig wie eine andere Schwester, die still und gesenkten Kopfes vorbeiging, interesselos und ohne zu schauen. Das einzige junge Mädchen war die jugendliche Jungfrau Maria in der Laube, die, obwohl aus Ton, mehr Leben und Menschlichkeit ausstrahlte als jene anderen Frauen aus Fleisch und Blut neben mir.

    Papa, bewegt und bleich, war abgereist. Die Patin war abgereist. Das Sprechzimmer, in dem ich wartete, war um diese Zeit leer und ruhig; kaum vernehmbar hörte man über die Korridore ein gedämpftes Geräusch wie von einem fernen Meer.

    Ich hielt mich eng an die Schwester, wollte sie an der Hand nehmen, brachte den Mut nicht auf, fragte, woher das ferne Geräusch käme.

    Es kam vom abendlichen Schulhof, der unter den Vordächern am Ende des Schulhauses begann; und dorthin wandten wir uns, die Schwester und ich.

    Über den großen Platz verteilten sich Hunderte Mädchen aller Altersstufen und mit den verschiedenartigsten Gesichtern der Welt, in Marineblau gekleidet. Eine Gruppe näherte sich uns kichernd, neugierig. Mir erschienen sie sofort bösartig, höhnisch, feindselig. Ich drückte mich enger an die Schwester. Von weiter hinten kamen andere Mädchen näher, und man hörte sie schreien:

    – Neuling! Ein Neuling!

    Die Schwester legte mir die Hand auf die Schulter, befahl, daß ich mich den Mädchen anschließen, Freundinnen finden solle. Ich sträubte mich. Meine Angst wuchs, und ich krallte mich energisch ans grobe Habit der Nonne:

    – Ich möchte bitte zu meinem Koffer.

    Gequält von der Angst, die mir die unbekannten und frechen Gesichter der Mädchen einjagten, dachte ich nur an Flucht, und die Erinnerung an meinen Koffer kam mir wie eine Rettung vor. Mein vertrauter Koffer, die Wäsche, die ich meiner Patin markieren und herrichten geholfen hatte, Stück für Stück. Die Schwester lachte. Zum Koffer? Wozu? Ob ich etwas benötigte? Es war jetzt verboten, den Kleiderraum zu betreten; dorthin ging man nur zu genau festgelegten Zeiten, um die Wäsche zu wechseln. Auch die Mädchen lachten über meinen seltsamen Wunsch. Was für eine Idee, zum Koffer! Ob ich Angst hätte, daß er mir gestohlen würde?

    Angesichts der Ablehnung der Schwester und des spöttischen Gelächters der Mädchen krampfte sich mein Herz noch mehr zusammen, die Beklemmung, die ich von Anfang an empfunden hatte, breitete sich ganz in mir aus. Der Koffer, ich sehnte mich nach dem Koffer wie nach einem Menschen, er war die Verlängerung von zu Hause, die einzige Verbindung zwischen meinem Leben und jener neuen Welt, die von blauen Kleidern, von feindseligen und häßlichen, spöttisch lachenden Mädchen bevölkert war. Meine brennenden Augen füllten sich mit Tränen, und schon schnürte sich meine Kehle zu. Noch einmal wagte ich zu beharren:

    – Ich wollte die Schuhe wechseln.

    Die Schwester wandte sich ungeduldig um und schob mich zu den anderen:

    – Das geht jetzt nicht, mein Kind. Abends, wenn du die Bettwäsche holst, wechselst du sie. Geh.

    Sie ging. Mit den Augen begleitete ich ihre leichten Schritte, die den gefältelten Saum des blauen Rockes hoben, ich hörte das Klirren der Medaillons des Rosenkranzes. Dann wandte ich mich dem Kreis der Mädchen zu, der sich langsam vergrößerte und sich um mich schloß; eine, mager, dunkel, klein, fragte stellvertretend für alle:

    – Wie heißt du?

    – Guta.

    Die hinten lachten. Was für ein Name! Was für eine Idee! Gab es eine Heilige mit Namen Guta?

    Ich errötete, beeilte mich zu erklären, daß ich Maria Augusta heiße. Guta sei der Rufname. – »Was für ein Name!« Und sie lachten mir ins Gesicht.

    Einer allerdings tat ich leid, und sie sagte etwas von schlechter Erziehung, von Mangel an Mitleid.

    Die Befragung ging weiter: Woher ich käme? Ob ich eine Mutter hätte? Ob ich einen Vater hätte? Wie alt ich sei? Erst zwölf? In welche Klasse ich gehen würde?

    Ich antwortete mit Mühe, fühlte mich elend und beschämt. Zum Glück zerstreuten sich die Mädchen nach und nach, sie liefen, um den anderen die Geschichte der komischen Neuen zu erzählen, die sich Guta nannte. Jetzt, wo sie sich verteilten und meinen Namen riefen, erschreckten sie mich noch mehr als vorher, als sie mich umkreist hatten. Warum rannten sie so? Warum schrien und lachten sie? Bei mir blieb nur die magere Dunkelhaarige, der offenkundig meine Bedrängnis leid tat; und sie begann, mir Ratschläge zu geben, faßte mich am Arm und flüsterte mir ins Ohr:

    – Mach dir nichts draus, beachte sie nicht. Sie fassen die Neuen immer so rauh an. Mit mir haben sie das auch gemacht, aber es war mir egal. Mach es wie ich. Komm, gehen wir ein wenig. Sie legte mir den Arm um die Taille. Ich wich ein wenig zurück, denn schließlich unterschied sie sich kaum von den anderen. Sie war auch in Blau gekleidet, sie stellte viele Fragen, sie war überlegen und selbstsicher. Dann aber ging ich doch mit ihr, hörte zu, was sie sagte, sah mir an, worauf sie mich hinwies.

    Die Pausenterrasse war erleuchtet, aber ihre Schatten warfen sich auf die großen, mit Bäumen bewachsenen Höfe, und die Schule wirkte von hier aus noch trübseliger und feindlicher.

    Arm in Arm gingen die Mädchen gruppenweise an uns vorbei, sangen im Chor melancholische Walzer und volkstümliche Schlager. Unter einigen Lampen fanden sich andere Grüppchen zusammen, die den Geschichten zuhörten, die eines der Mädchen laut vorlas, mit bewegter und erhobener Stimme.

    Unter anderen Lampen trug man Spiele mit Steinen aus; der Stein flog hinauf und hinunter, die Köpfe ringsum steckten sich wie hypnotisiert zusammen. Ganz plötzlich stoppte das Spiel, die Spielleiterin machte ein Kreidezeichen auf das Fußbodenmosaik, und die Mitspielerinnen stritten heftig und schrien lautstark »weiter, weiter!«

    Maria José, meine Freundin, lenkte mich sanft ans Ende des Schulhofes, in die am weitesten entfernte Ecke.

    Sie wollte mir eine Freundin vorstellen, die einzige, die »ich unter all den Lügnerinnen und Scheinheiligen in dieser Schule meine Freundin nenne«.

    – Ich werde dir auch die zeigen, die ich nicht mag.

    Und sie zeigte mir hier und dort ihre hauptsächlichen Feindinnen, die ich nicht unterscheiden konnte, alle im gleichen Schulhof, und die mir durch die Uniform im Aussehen alle gleich erschienen.

    »Die einzige Freundin« saß am Boden, in einem jener lärmenden Kreise von Spielerinnen. Sie schien zu gewinnen, ich schloß das aus der leidenschaftlichen Unterstützung durch ihre Anhängerinnen. Maria José wartete, bis sie fertig war, dann rief sie sie mit einer Handbewegung zu uns.

    Sie stellte mich also ihrer Freundin Glória vor, die sich ebenfalls über meinen Namen wunderte, sie ließ mich meinen eigentlichen Namen wiederholen, sie hörte ernsthaft meiner Erklärung zu, daß ich selbst als kleines Kind, als ich meinen Namen noch nicht richtig aussprechen konnte …

    Glória kaute an ihren Nägeln, hatte riesige Augen und war mager und groß. Sie unterbrach das verworrene Ende der Erklärungen, in die ich mich hineinredete und bemerkte:

    – Als ich das Gekreisch hörte, wußte ich gleich, daß ein Neuling angekommen ist.

    Ich verstummte und war abgestoßen von der Bezeichnung Neuling, die so hart, so streng wiederholt wurde, daß es wie eine Beleidigung klang.

    Plötzlich läutete eine Glocke, laut wie eine Kirchenglokke, und nah, gräßlich nah. Ich erschrak. Glória erklärte, es sei die Glocke, die zum Abendgebet läutete, die Glocke der Kapelle. Sie ging davon, zurück zu den anderen, bei denen sie vorher gewesen war, und fing an, ihre Steine einzusammeln.

    Am Ende der Arkaden begann sich langsam und noch ohne genaue Ordnung die »Kapelle« zu formieren. Die Großen vorne, dann die Mittleren, am Ende der Reihe die Kleinen, lärmend, unordentlich, unaufmerksam den Zeichen gegenüber, die die Schwester mit einer Holzklapper anschlug. Sie rannten von einer Reihe zur nächsten, zählten die Steine in den Taschen, stritten, unterdrückten lautes Lachen.

    Die Kapelle, im Halbschatten und kaum erleuchtet durch die große Muttergottes am Hauptaltar, die von Sternen umkränzt war, war der geeignete Schauplatz, um den heftigen Eindruck von Angst, Fremdheit, Neuheit und unklarer Beklemmung in mir zu verstärken, der mich seit den ersten Schritten ins Schulhaus ergriffen hatte.

    Ich betete nicht und verstand nichts von dem, was gesagt wurde. Und als sie zu den Gebeten kamen, die ich kannte, zu den abschließenden Ave-Marias, schämte ich mich, meine Stimme unter die der anderen zu mischen, obwohl Maria José mir mit dem Ellbogen einen Stoß gab und mir mit dem Kopf Zeichen machte. Zum Tee konnte ich kaum essen, die Kehle war mir zugeschnürt. Je weiter der Abend vorrückte, desto trauriger fühlte ich mich, und ich war völlig verwirrt. Als ich endlich in den Kleiderraum gehen durfte, freute ich mich kaum mehr darüber, die Bettwäsche und das Nachthemd zu holen, die Schuhe zu wechseln. Ich fühlte mich erst besser, als ich den Kofferdeckel hob und ein Geruch nach Basilikum mir aus den Wäschestücken entgegenkam, vertraut und geliebt. Aber ich hatte nicht einmal Zeit, etwas zu berühren, das Monogramm in der bestickten Bettdecke zu betrachten, die der Stolz meiner Aussteuer war und die ich nicht müde wurde anzusehen. Die Frau in der Kleiderkammer rief von der Tür aus mit schriller Stimme: »Komm schon, meine Liebe!« –, und ich schloß eilig den Koffer und rannte nach draußen.

    Im Bett – alles war ruhig –, fern von Glória, von Maria José, zwischen zwei noch fremderen Fremden, brach mein Kummer schließlich hervor, und ich weinte, weinte, bis mir die Tränen ausgingen, die Schluchzer. Ich weinte, bis ich einschlief, erschöpft, erledigt, und den schmerzenden Kopf auf dem heißen und harten Kopfkissen hin und her warf.

    Glória trug auf der Brust eine Brosche mit einem Medaillon auf beiden Seiten. Auf einer Seite das Bild einer hübschen jungen Frau, die lächelt; auf der anderen ein Mann mit großen und traurigen Augen, mit dunklem Haar, das ihm in Locken in die hohe Stirn fällt. Zwei Totenbilder, denn Glória war Waise.

    Und in der Schule, zwischen so vielen anderen, die keinen Vater oder keine Mutter hatten, war die Waisenschaft Glórias nach wer weiß welchen subtilen Kriterien etwas ganz Besonderes – auf aristokratische Weise tragisch. Sie hatte einen Vormund. Sie sagte manchmal »mein Vormund« und hob bedeutungsvoll die Stimme, und viele von uns waren neidisch auf sie. Sie behandelte uns mit Geringschätzung, von der Höhe ihres Dramas herab, und brachte die ganze Welt mit ihrer romantischen Kindheit zum Schweigen.

    Am Tag ihrer Geburt war ihre Mutter gestorben. Sie starb mit sechzehn Jahren, ohne die Zeit gehabt zu haben, die Freuden der Welt kennenzulernen, und sie kannte von der Liebe nur die ersten Leiden und von der Mutterschaft die Schmerzen und das Drama der Geburt.

    Der Mann blieb alleine und verzweifelt zurück und fühlte sich im Leben verloren mit dem Säugling auf den Armen. Er zog sie ohne Muttermilch auf. Das war allerdings das einzige, was ihr von der Mutter fehlte. Denn der Vater war alles für Glória, er ersetzte ihr die Tote mit all seiner verschütteten Zärtlichkeit, so als hoffte er, daß sie eines Tages zurückkehren und seine Stelle einnehmen würde. Er verhielt sich wie ein einsamer Schauspieler, der, um die Einsamkeit zu übertölpeln, abwechselnd seinen und den Part eines imaginären Mitspielers übernimmt und so eine Anwesenheit vortäuscht, um das Alleinsein erträglich zu machen.

    Bis zu ihrem vierten Lebensjahr nannte Glória ihn »Mamá«. Und als sie ihn das erste Mal Papa nannte, wozu die Freundinnen von der Straße sie mit ihren Hänseleien gebracht hatten (»sie ist so dumm, daß sie einen Mann Mama nennt!«), weinte er den ganzen Tag, und es war fast, als sei ihm die Frau ein zweites Mal gestorben.

    So lebten die drei, bis Glória zwölf wurde – der Vater, das Kind und die Tote. Sie fotografierten sich neben dem großen, mit Krepp eingerahmten Bild, demselben, das als Miniatur auf dem Medaillon zu sehen war. Oder auch neben der Gruft, er ans Kreuz gelehnt, mit einem überschatteten und trostlosen Gesicht, das Kind traurig, weiß gekleidet, auf den Marmorstufen sitzend.

    Der Vater dichtete Verse. Glória besaß ein Kästchen aus Duftholz, mit dunkler Silbereinlegearbeit an den Ecken, voller Sonette und Balladen, Zeitungsausschnitte und vergilbter Manuskripte, Verse an die Tote, Verse der Sehnsucht und des aufbegehrenden Schmerzes. Es gab auch andere Arten Verse, fröhliche und bewegte, die musikalisch die Kindheit der Tochter begleiteten, das erste Lächeln, den ersten Zahn, den ersten Schritt. Kleine Kunstwerke, die Glória mit acht Jahren bei den Schulfesten aufsagte, wobei sie mit einem Händchen zum Himmel zeigte, »wo die liebe Mama sie erwartete«. Sie besaß ein solches Bild, auf dem sie zur Decke wies, ernst und mit festem Blick, auf jener Seite des Zimmers, wo Mamas Bild hing.

    Eines Tages starb der Vater. Das geheimnisvolle Leben der Liebe und Sehnsucht der drei, des Vaters, der Kleinen und der Toten, endete. Die langen Spaziergänge zum Friedhof an lauen Nachmittagen hörten auf,

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